Verzögerter Anschluss fordert Ausnahmeregel
Anfang März hat die Gematik bekannt gegeben, die Ausgabe der Heilberufsausweise und Institutionskarten für Anwender, die nicht in Kammern organisiert sind, selbst zu übernehmen. Damit sollen weitere Anwendergruppen, darunter später auch Heil- und Hilfsmittelleistungserbringer, Zugang zur Telematikinfrastruktur erhalten.
Jedoch zieht die Gematik hier andere Anwender vor. Zuerst werden ausländische Versandapotheken, wie DocMorris oder Shop-Apotheke sowie der Sanitätsdienst der Bundeswehr angeschlossen. Laut der aktuellen Planung dürfen Heil- und Hilfsmittelleistungserbringer 2024 an die Telematikinfrastruktur angebunden werden. Erst zwei Jahre später soll mit dem E-Rezept 5.0 die elektronische Verordnung für Heil- und Hilfsmittel eingeführt werden, so dass diese erst dann tatsächlich damit arbeiten können.
Durch diese Verzögerung fürchten viele Leistungserbringer eine bedingte Marktverschiebung hin zu den Apotheken. Denn unter die verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die ab 2022 verpflichtend über das E-Rezept, das ehemalige Muster 16, verordnet werden müssen, fallen beispielsweise auch Verbandsmittel oder Teile klinischer Ernährung. Dieser Marktanteil wird momentan hauptsächlich von sonstigen Leistungserbringern übernommen. Das E-Rezept hätte so das Potenzial, Apotheken bis zu deren Anschluss 2026, den Einstieg in lukrative Teile der Hilfsmittelversorgung zu ermöglichen.
Fraglich ist, ob es für diese Produkte eine Ausnahmeregelung geben wird. Denn laut dem Patientendaten-Schutz-Gesetz solle sichergestellt werden, dass die Telematikinfrastruktur für die Optimierung und Verarbeitung ärztlicher Verordnungen von Heil- und Hilfsmitteln sowie sonstiger nicht apothekenpflichtiger Medizinprodukte und bilanzierter Diäten zur enteralen Ernährung und weiteren Verordnungen in elektronischer Form erst genutzt werden darf, wenn diese flächendeckend für alle Leistungserbringer zur Verfügung steht. Für sonstige Leistungserbringer würde es sich jedoch lohnen, eine solche Ausnahmeregelung möglichst noch bis 2022 zu erwirken. Wären die genannten Produkte von der digitalen Verordnungspflicht ausgeschlossen, hätten zum Beispiel Homecare-Unternehmen weiterhin die Möglichkeit, Rezepte wie gewohnt in Papierform anzunehmen und abzurechnen. Da es bis jetzt dazu jedoch keine genaue Regelung gibt, ist eine Marktverschiebung trotzdem wahrscheinlich.
Es scheint, als hätten die Verantwortlichen Homecare-, Heil- und Hilfsmittelleistungserbringer schlichtweg nicht auf dem Schirm. Die Branche ist seit jeher ein Nischenmarkt im Gesundheitswesen, deren Bedürfnisse nicht gesehen werden – und so ist es auch in diesem Fall. Wie wichtig es ist, diese Leistungserbringer an die Telematikinfrastruktur anzuschließen, scheint den Verantwortlichen nicht bewusst zu sein. Im Gegensatz zu den Apotheken oder Arztpraxen herrscht eine große Unwissenheit darüber, dass Homecare-Versorger den Bedarf eines Patienten ermitteln, Versorgungen vorschlagen, Produkte liefern und den Patienten einweisen und permanent monitoren. Dazu kommt die fehlende Standesorganisation, sodass die Dimensionen, in denen diese Leistungserbringer an der Versorgung chronisch kranker Patienten maßgeblich beteiligt sind, übersehen werden.